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Afrikaner

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Inhalt:
  1. Anfänge
  2. "Mohren" und andere Fremde
  3. Frühe Neuzeit
    1. Milieus, Berufe, Wohnsituation
    2. Sklaven oder Freie
  4. Im bürgerlichen Zeitalter
  5. Erste Republik
  6. NS-Zeit
  7. Von der Besatzungszeit bis zur Gegenwart
    1. Bildungs, Arbeits- und Asylmigration
    2. 21. Jahrhundert
  8. Namensliste
  9. Quellen
  10. Literatur
  11. Einzelnachweise

Anfänge

Sieht man von der nicht weiter nachweisbaren sehr wahrscheinlichen Präsenz von aus Afrika stammenden Personen während des dreimonatigen Aufenthalts Kaiser Friedrich II. im Jahr 1237 einmal ab, begründete der ab Mitte des 15. Jahrhunderts zunehmende Sklavenhandel die zunächst sehr sporadische Präsenz von Afrikanerinnen und Afrikanern in Wien. Die versklavten Menschen standen zumeist „im Besitz“ des Herrscherhauses oder einzelner hochadeliger Familien. Ab dem späten 17. Jahrhundert nahm die Zahl solcher Domestiken zu.[1]

"Mohren" und andere Fremde

Die Afrikanerinnen und Afrikaner wurden zeitgenössisch als "Mohren" bezeichnet. Im Alt- und Mittelhochdeutschen steht der Begriff für die Bewohner Mauretaniens - die Mauren. Bereits im Mittelalter wird "Mohr" auch verallgemeinert und meint "Menschen mit dunkler Hautfarbe". Seit dem 16. Jahrhundert wird der Terminus ausschließlich in dieser erweiterten Bedeutung verwendet.[2] "Mohr" wurde im Gegensatz zu Begriffen wie "Heide" oder gar "Neger" nicht kulturell oder physiologisch diskriminierend gebraucht. Die Bezeichnung bezog sich allerdings nicht nur auf Personen, die aus Afrika stammten.

Frühe Neuzeit

Datei:Reiske.jpg
Der Marokkaner Joseph Reiske (1698-1777), ein Diener des Grafen Kolowrat, nach 1777

Im 17. und 18. Jahrhundert lebten circa 100 bis 200 Afrikaner in Wien. Als Herkunftsort nennen die spärlichen Quellen meist nur Afrika. Vereinzelt genannte Herkunftsregionen sind Angola, Kap Verden, Marokko, Ägypten und Mauritius. Vor allem zwei Migrationsverläufe lassen sich ausmachen. Ein Teil der Menschen kam aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen der Habsburgermonarchie mit dem Osmanischen Reich nach Wien. Es handelte sich um sogenannte "Beutetürken", die Großteils dem osmanischen Hofstaat angehört hatten.[3] Als Herkunftsgebiete sind die dem Osmanischen Reich angehörenden beziehungsweise benachbarten Regionen entlang des Roten Meeres beziehungsweise Nordafrika denkbar.
Ein anderer Teil der Afrikaner gelangte über den kolonialen Sklavenhandel nach Mitteleuropa. Ein beträchtlicher Teil dieses Handels lief über die iberische Halbinsel. Menschen aus den spanischen und portugiesischen Kolonien kamen über diesen Weg. Weiters erfolgten Ankäufe afrikanischer Sklaven über Sizilien. Möglicherweise war auch ein früher Zusammenhang mit dem Sklavenhandel der niederländischen Generalstaaten mit Süd- oder Südostafrika gegeben. Auch die frühkolonialen Eigenaktivitäten der Habsburgermonarchie hatten Auswirkungen. So kamen vor allem Sklaven aus dem portugiesischen Estado da India, der die Küste Mocambiques umfasste, nach Wien.

Milieus, Berufe, Wohnsituation

Datei:WStLA, Hauptarchiv - Akten - Persönlichkeiten, A1- S44-1 fol.2v.jpg
Auszug aus der Verlassenschaftsabhandlung des Angelo Soliman: Eingabe seiner Tochter Josephine an das Magistratische Zivilgericht (1796)

Das größte einzelne Tätigkeitsfeld der Personen war der Gesindedienst in aristokratischen, zum Teil aber auch bürgerlichen (nobilitierten) Häusern. Der Aufklärer Johann Pezzl erwähnte in einer Stadtbeschreibung aus dem Jahr 1788 ganz selbstverständlich neben Lakaien, Heiduken, Leibhusaren auch „Neger“ unter den Bedienten der städtischen Oberschicht.[4] Weitere Belege finden sich in den Totenbeschauprotokollen. In diesen werden immer wieder Todesfälle von "Mohren", die in Haushalten der hohen Aristokratie, beispielsweise den Liechtensteins, Harrachs, Seilern und Hohenlohes, aber auch dem spanischen Botschafter und dem englischen Gesandten, tätig waren, verzeichnet. Auch am Hof Karls VI. hat ein "Hofmohr" namens Johann Michael Martini gelebt. Der einzige "Mohr", der es zu einer bedeutenderen gesellschaftlichen Stellung brachte, war Angelo Soliman. Mit einer Wienerin verheiratet, war er Mitglied einer Freimaurerloge und Großvater des Bergbauingenieurs und Literaten Eduard von Feuchtersleben (* 1798 Krakau, † 1857 Bad Aussee), der ältere Halbbruders des Dichters Ernst von Feuchtersleben (* 1806 Wien, † 1849 Wien). Der letzte "Mohr" des 18. Jahrhunderts starb am 20. November 1798 im Dienst der Fürstin Hohenlohe.

"Hofmohren" erlebten die Stadt als Subalterne und in Abhängigkeit von ihren fürstlichen Herren. Sie genossen keinen rechtlichen Schutz. Das Recht auf Heirat und Gründung einer eigenen Familie wurde nur privilegierten zugestanden. Die Wohnsituation ist nur schwer zu ermitteln. Viele lebten bei oder in der Nähe ihrer Dienstherren. Wohnten sie eigenständig, so taten sie das in meist wenig prominenten Vorstadtlagen. Über die persönlichen Verhältnisse der Afrikanerinnen und Afrikaner ist wenig bis gar nichts bekannt. Die Lebenssituation der "Hofmohren" war allerdings im Vergleich zur Masse der städtischen Bevölkerung, die in überbevölkerten und schlecht versorgten (Vorstadt-)Quartieren wohnte, privilegiert. Sie waren exquisit gekleidet, gut ernährt, begleiteten ihre Herren bei gesellschaftlichen Ereignissen und Reisen. Sie lebten in einem "goldenen Käfig".

Sklaven oder Freie

Aufgrund der bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts geltenden Rechtslage ist von einer strukturellen personenrechtlichen Benachteiligung des "türkischen" beziehungsweise "mohrischen" gegenüber dem übrigen Gesinde auszugehen. Juristisch gesehen blieben sie auch im Habsburgerreich Sklaven. Faktisch unterlagen sie denselben Freiheitsbeschränkungen wie der Rest des Gesindes. Die Sklaveneigenschaft kann im gesellschaftlichen Bewusstsein als obsolet betrachtet werden. Lediglich im Falle disziplinärer Maßnahmen konnte sie eine Rolle spielen. Die Mitte des 18. Jahrhunderts brachte mit dem Inkrafttreten des Codex Theresianus die Abschaffung der Sklaverei und damit den Menschen mit dunkler Hautfarbe die Freiheit. Gegenläufig zu diesen Tendenzen der Emanzipation bildete sich biologischer Rassismus und eine fortschreitende kolonialpolitische Diskriminierung heraus. Rechtlich und politisch erfreuten sie sich folglich einer gewissen Freiheit, sozial sahen sie sich allerdings immer stärker mit einer zugeschriebenen Fremdheit konfrontiert.[5]

Im bürgerlichen Zeitalter

Im Vormärz imitierte die „zweite Gesellschaft“ adeligen Lebensstil, wodurch auch in einigen großbürgerlichen Haushalten Bedienstete aus afrikanischen Ländern auftauchten. Als Herkunftsregion der „gekauften“ Migrantinnen und Migranten rückten Ägypten, der Sudan und Äthiopien in den Vordergrund, damit jener Teil Afrikas auf dem sich die wirtschaftlichen Interessen der Habsburgermonarchie immer mehr konzentrierten. Auch von adeligen oder bürgerlichen Abenteurern unternommene Entdeckungsreisen trugen dazu bei, dass afrikanische Kinder und Jugendliche unfreiwillig nach Wien gelangten. Es handelte sich um versklavte Kinder die zwar bei Betreten des Territoriums der Monarchie ihren Sklavenstatus verloren, aber als Minderjährige durch die Vormundschaft und finanzielle Abhängigkeit ihrer „Herren“ de facto nicht viel bessergestellt waren.

Neben Hausbediensteten sorgte das Aufkommen einer "Vergnügungsindustrie" für ein weiteres Arbeitsfeld der Zuwanderer. Befördert durch den zunehmenden Reiz exotischer Schaustellerinnen und Schausteller im Rahmen von Vergnügungsveranstaltungen traten ab dem Vormärz immer wieder Afrikanerinnen und Afrikaner in Wiener Shows auf und einige lebten auch dauerhaft in Wien. Eine berühmte Revue im Kabarett Renz hieß etwa „Königin von Abyssinien“. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurden die Shows immer größer. Erotisierte Schaustellungen wie die „Aschantischau“ zogen ein immer größeres Publikum an.

Ganz andere Hintergründe hatte die beginnende Studienmigration aus Ägypten die im Jahr 1844 einsetzte und sich auf das Fach Medizin konzentrierte. Sie wurde vom ägyptischen Vizekönig gefördert der eine Modernisierung des Landes nach europäischem Vorbild anstrebte. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden ägyptische Studenten etwas zahlreicher. Neben dem Fach Medizin belegten sie auch Pharmazie. Daneben besuchten Prinzen aus der ägyptischen Herrscherfamilie das Theresianum.

Erst im ausgehenden 19. Jahrhundert wurden die beruflichen und gesellschaftlichen Aussichten für Zuwanderer aus Afrika etwas besser. Einzelne wie der Firmenerbe Mohammed Medlum aus Ägypten oder der Lehrer Walter Barness aus Kamerun schafften den gesellschaftlichen Aufstieg. Die überwiegende Mehrzahl lebte in prekären Beschäftigungen. Für die missliche Lage vieler sorgte nicht zuletzt der aufkommende Rassismus.

Erste Republik

Auch in der Ersten Republik konnte von einer afrikanischen Community in Wien mit Ausnahme der ägyptischen Staatsbürger noch nicht die Rede sein. Die Ägypter bildeten die mit Abstand wichtigste afrikanische Bevölkerungsgruppe. Hinsichtlich der Berufsstruktur kam es zu bedeutenden Veränderungen. Mit der Verarmung eines großen Teils der alten Eliten spielte der häusliche Dienst keine Rolle mehr. Die kleine Zahl an Afrikanern und Afrikanerinnen war nun als Verkäufer, Chauffeur, Liftboy, in der Werbung und weiterhin besonders in der Vergnügungsindustrie tätig. Mit dem sprunghaft gestiegenen Interesse für den Sport traten auch immer wieder afrikanische Athleten in Wien auf, besonders im Boxsport und im Ringen. Einige von ihnen hielten sich auch länger in Wien auf, zum Teil auch als Trainer. Unter den Studenten überwogen nach wie vor Ägypter. Vereinzelt studierten auch in Südafrika diskriminierte schwarze Medizinstudenten. Der internationale Ruf der Zweiten Wiener medizinischen Schule wirkte nach.

Über rassistisch motivierte Konflikte im öffentlichen Raum wird nur wenig berichtet. Sie kamen aber immer wieder vor. So etwa im Sommer 1928 im Prater als eine einheimische Menge einen im Zirkus beschäftigten Athleten aus Kamerun und einen Athleten aus Marokko zu lynchen versuchte.[6]

NS-Zeit

Datei:Ahmed Kranzmayr.jpg
"Rassenanthropologische Untersuchung" von Ahmed Kranzmayr durch das Rassenpolitische Amt der NSDAP

Nach dem Anschluss lebten laut Volkszählung 1939 37 Personen afrikanischer Staatsangehörigkeit in Wien. Von denen wurden rund zwei Drittel als „Volksangehörige“ eingestuft stammten daher aus Familien weißer Siedler, zum überwiegenden Teil aus ehemaligen deutschen Kolonien. Dazu ist noch eine unbekannte Zahl britischer, französischer und Angehöriger anderer Kolonialmächte zu zählen, die aus afrikanischen Ländern stammten. Insgesamt war die Zahl der autochthonen Afrikaner und Afrikanerinnen sicherlich sehr klein. Diese wenigen erfuhren rasch Diskriminierungen wie sie in den NS-Rassengesetzen festgelegt waren. „Nicht-arische“ Kinder wurden innerhalb der Schulklassen separiert, dann in eigene Schulen oder aber auch in Heime gesteckt. Mittels einer Fremdstämmigen- und Mischlingskartei erfolgte eine vollständige Erfassung der „nicht-arischen“ Afrikaner. Bei der Erhebung arbeiteten städtisches Gesundheitsamt, Rassenpolitisches Amt und GESTAPO eng zusammen. Die Erfassten wurden vom „Hauptgesundheitsamt Wien“ zu regelmäßigen „rassenkundlichen Untersuchungen“ vorgeladen. Abgesehen von Diskriminierungen wie der Verweigerung von Eheerlaubnissen standen sie ständig in Gefahr, Opfer der NS-Euthanasie-Programme zu werden.

Die Zahl der in Wien lebenden Afrikaner und Afrikanerinnen die Opfer des NS-Regimes wurden, sei es im Rahmen von Euthanasie, sei es in Form von Zwangsarbeit und Ermordung in Konzentrationslagern, sei es als Opfer durch NS-Willkürherrschaft, wurden kann nicht näher beziffert werden. Nur über einige wenige Überlebende gibt es Informationen.

Von der Besatzungszeit bis zur Gegenwart

Abgesehen von vor allem französischen Besatzungssoldaten afrikanischer Herkunft, die jedoch in erster Linie in Westösterreich stationiert waren, gab es im Nachkriegs-Wien nur sehr wenige Afrikaner. Zuwanderungsnischen blieben ab den 1950er Jahren Sport und Vergnügungsindustrie. Eine gewisse Veränderung brachte die Ansiedlung internationaler Organisationen in Wien ab 1957 mit ihrem Höhepunkt 1979 in Form der Eröffnung der UNO-City. Auch die Eröffnung zahlreicher Botschaften afrikanischer Länder im Zug der Erlangung von Unabhängigkeit von den Kolonialmächten ließ ab den 1970er Jahren die Zahl von Personen afrikanischer Herkunft in Wien ansteigen. In beiden Fällen handelte es sich um Oberschichtenmigration.

Bildungs, Arbeits- und Asylmigration

Datei:Omofuma-Mahnmal.jpg
Mahnmal zur Erinnerung an Marcus Omofuma, der 1999 während einer Flugzeug-Abschiebung von drei Polizisten in fahrlässiger Weise getötet wurde

Die studentische Migration setzte Mitte der 1950er Jahre wieder ein und erneut dominierten ägyptische Studenten. Erst nach und nach folgten jene aus dem Maghreb und dem subsaharischen Afrika. In den 1960er Jahren erlangten Theologiestudenten aus Nigeria eine etwas größere Bedeutung. Von ihnen blieben einige als katholische Priester wie Hypolite Adigwe und Aaron Ejikemeuwa Ekwu dauerhaft in Wien. Probleme mit Alltagsrassismus und Armut blieben unvermindert bestehen. 1962 konstituierte sich mit dem Verein "Pan-African Students Union of Austria", eine Vereinigung die sich als Protestplattform gegen mangelhafte Studien- und Lebensbedingungen profilierte. Die fälschlich von der Staatspolizei kommunistischer Umtriebe verdächtigte Vorsitzende Unokanma Bright-Taylor wurde 1964 in die BRD abgeschoben. Die Zahl afrikanischer Studierender sank in der Folge beträchtlich, wofür allerdings in erster Linie der Rückgang ägyptischer Studierender verantwortlich war. Erst die Befreiung von der Studiengebühr in den 1970er Jahren ließ die Zahl der afrikanischen Studierenden wieder ansteigen. Der Anteil subsaharischer Länder nahm nun erheblich zu. Die Bildungsmigration hatte zumeist auch politische Gründe, was den Verbleib mancher nach Studienende begünstigte.

Ab Mitte der 1960er Jahre bildeten sich auch Ansätze einer Arbeitsmigration in Form von Zeitungs-Kolporteuren die zunächst vor allem aus Ägypten stammten und in Wien studierten. Nachdem 1983 mit der Kolportage ein unbefristeter Aufenthalt verbunden war, kam die überwiegende Mehrheit als reine Arbeitsmigranten, deren Status allerdings von der Weiterführung ihrer Tätigkeit als Kolporteure abhing. Schon 1980 konstituierte sich ein "Verein der Ägypter für Kultur und Soziales" der ein reguläres Dienstverhältnis für Kolporteure forderte. Die Forderung blieb jedoch unerfüllt. Nach der Jahrtausendwende verlor die Kolportage an Bedeutung und verschob sich zum Job des Austrägers und Zustellers, letztere teilweise mit Dienstverträgen.

Die größte Veränderung der afrikanischen Zuwanderung nach Wien bedeutete die Zunahme der Asylmigration. Deren Anfänge reichen in die 1970er Jahre zurück. Bis zu Beginn der 1990er Jahre blieb die Zahl afrikanischer Flüchtlinge allerdings sehr gering. Doch dann kam es zu einem beträchtlichen Anstieg von Migrantinnen und Migranten aus Nigeria, Ghana, Somalia und Sierra Leone. Nach der Jahrtausendwende vergrößerte und verbreiterte sich der Zuwanderungsstrom. Vermehrt kamen Asylsuchende nun auch aus Algerien und Gambia. Ägypten und Nigeria blieben aber die wichtigsten Herkunftsländer. Positive Asylbescheide erhielten vor allem Somalier, kaum Nigerianer. Als migrationsfördernd erwies sich vor allem die Nähe zu Deutschland als Zieldestination Nummer Eins afrikanischer Asylsuchender. Angesichts des fehlenden legalen Zugangs zum Arbeitsmarkt während des Asylverfahrens blieb vielen nur die Flucht in die Schattenwirtschaft. Der vermehrte Zustrom in Verbindung mit Drogenkriminalität sorgte für vermehrte polizeiliche Übergriffe. Traurige Berühmtheit erlangte 1999 die fahrlässige Tötung des nigerianischen Asylwerbers Marcus Omofuma im Zug einer Abschiebung auf dem Flug von Wien nach Sofia.

21. Jahrhundert

Um 2020 zählte die Bevölkerung mit afrikanischer Staatsbürgerschaft nach wie vor zu den kleineren Minderheiten der Wiener Bevölkerung. Rund 18.000 Personen der Wiener Wohnbevölkerung hatten die Staatsbürgerschaft eines afrikanischen Staates, rund 29.000 waren in Afrika geboren.[7] Es überwiegen somalische, nigerianische und ägyptische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen. Die Zahl einschlägiger Vereine zur Selbstorganisation der afrikanischen Community in Wien hat nach der Jahrtausendwende deutlich zugenommen. Die Erfahrung von Diskriminierungen führte auch zu einer zunehmenden Politisierung. Am 4. Juni 2020 fand eine große „Black Lives Matter“ Demonstration in Wien statt an der rund 50.000 Personen teilnahmen. Die erste aus der Demokratischen Republik Kongo stammende Wiener Gemeinderätin ist Mireille Ngosso.[8]

Namensliste

Datei:Balthasar 1629.jpg
Taufbucheintrag des Balthasar, eines entlaufenen Angehörigen des osmanischen Gesandten in Wien. Maurus, Aethiopis; getauft in St. Stephan 1629

Liste namentlich bekannter Afrikanerinnen und Afrikaner in Wien im 17. und 18. Jahrhundert[9]

Name Beruf geboren Geburtsort gestorben Alter Todesursache Sterbeort
Balthasar entlaufener Angehöriger des osmanischen Gesandten in Wien. Maurus, Aethiopis; getauft in St. Stephan 1629 --- --- --- --- --- ---
Anton Studericus --- --- --- --- 18 "am Cartär" "Zum Goldenen Engel", heute 1, Tuchlauben 13
Paula eine aus Spanien mitgebrachte "Mohrin" im gräflich Harrach'schen Haus 1, Herrengasse 17 --- --- 16.03.1677 --- schwere Krankheit Herrengasse 17
Hans Hirsch "armer Mohr" --- --- 1684 39 "dörr und Lungelsucht" Benefiziantenhaus, 1, Riemergasse 1-3
Nicolaus Luschy in der Gastwirtschaft (?) --- --- 31.12.1687 21 Wundfieber und eitrige Kopfgeschwüre Goldener Pfau, 1, Kärntner Straße 38
Anna Elisabeth im Haushalt des Johannes Deodat --- "Aithiopissa Turca" --- --- --- ---
Ferdinand Draber "ein getauffter Mohr und Hayduckh" des Grafen Aspermont --- --- 13.02.1692 28 erschossen bei der Grünen Weintraube, 1, Herrengasse 19
Salvator Ravonicus im Dienst des portugiesischen Gesandten --- --- 26.02.1698 19 Brusterkrankung Palais des Grafen Cavriani, heute 1, Habsburgergasse 5
Emanuela die Witwe eines "Mohren" beim Grafen Harrach --- --- 18.04.1699 40 an "hizigem Fieber" Harrachpalais (1)
Johann (Michael) Martin Kaiserlicher Hofmohr; Läufer bei Joseph I. und Karl VI. ca. 1679 unbekannt 29.07.1719 ca. 40 Lungldefekt und Frais (Krämpfe) "Farberisches Haus" heute 1, Postgasse 8-12
Joseph Ander (Andre, Anton) Liechtenthal (Liechtenthall) Herrschaftlicher "Mohr" ca. 1680 unbekannt 27.07.1730 ca. 50 Blutbrechen und Feuerlicher Brand (Fieber) "Maurer Haus am Neuen Markt" heute 1, Neuer Markt 17
Anton Dores (Torres) --- ca. 1680 unbekannt 08.08.1730 ca. 50 Schlagfluss (Schlaganfall) "beim "Donati - Ziegelofen in der Josefstadt"
Jacob Bock --- ca. 1684 Angola 1704 ca. 20 gehängt wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt Hoher Markt
Lazarus Barnu mögl. Gasthausarbeiter ca. 1691 unbekannt 10.07.1731 ca. 40 Innerlicher Brand und Gewebezerfall "Haus Goldener Strauß an der Freyung" heute 1, Freyung 8-9
Michael Guttago --- ca. 1701 unbekannt 04.01.1731 ca. 30 Lungldefekt "Kleiner Passauerhof" in der Passauer Gasse heute 1, Salvatorgasse 12
Joseph Peter Malcka (Maka, Matka) unbekannt ca. 1702 unbekannt 04.12.1726 ca. 24 Lunglsucht (Tuberkulose) Spital der barmherzigen Brüder
Sieben Kinder des Johann Martin --- 1706-1719 Wien 1711-1719 18 Wochen-8 Jahre verschiedene Krankheiten "Farberisches Haus" heute 1, Postgasse 8-12
Joseph Reiske bei Graf Kolowrat Novohradsky ca. 1707 Marokko 05.06.1777 ca. 70 Abzehrendes (tuberkulöses) Fieber Spital der barmherzigen Brüder
Theresia Martin "Ledige hinterlassene Hof-Mohrens (Martins) selige Tochter" 1720 Wien 04.05.1761 ca. 42 Lungldampfl (Asthma, Emphysem oder Pleuritis "Auf der Laimgrube beim Grünen Salzkiefel" heute 6, Mariahilfer Straße 17 und Pfauengasse 4
Max Gotthart unbekannt ca. 1714 unbekannt 10.03.1737 ca. 23 Hitzfieber Unbekanntes Spital
Johann Mahlizky (Mahlitzky, Mallizi) Sohn des Joseph Mahlizky 1721 Wien 31.07.1722 9 Monate Zahnfraisen (Krämpfe) "Mautner Haus in der Leopoldstadt" heute 2, Große Mohrengasse 38-40
Josepha Sielber (Silber) Tochter des Joseph Sielber 1719 Wien 01.02.1721 2 Zahn Cathar und Frais (Krämpfe) "Eisenhuthaus beim Arsenal" heute 1, Börsegasse 5
Angelo Soliman Kammerdiener und Hauslehrer bei Fürst Liechtenstein ca. 1721 Afrika 21.11.1796 ca. 75 Schlagfluss (Schlaganfall) "Schönekerisches Haus auf der Freyung" heute 1, Freyung 8-9
Johann Casari unbekannt ca. 1725 Afrika 21.02.1750 ca. 25 Lunglsucht (Tuberkulose) Spital der Barmherzigen Brüder
Johann Ramurch Diener des Spanischen Botschafters ca. 1728 unbekannt 16.07.1770 ca. 42 Fiebriges Gallfieber Spital der Barmherzigen Brüder
Peter Weiß bei Graf Harrach ca. 1736 Cap Verde 19.11.1954 ca. 18 Lunglbrand Spital der Barmherzigen Brüder
Franz Osterwitz Bediensteter bei Graf Schrattenbach 1736 Afrika 16.11.1756 20 Feuerlicher Brand (Fieber) Spital der Barmherzigen Brüder
Franz Somoß (Sumus, Sumos) Sohn des Johann Baptist Somoß, Schneider 1740 Wien 16.12.1740 18 Wochen Frais (Krämpfe) "Degen Haus in der oberen Neustift" heute 7, Hermanngasse 2
Franciscus Hau Kammerdiener des Englischen Gesandten Sir Keith Robert Murray, Viscount Stormont ca. 1744 unbekannt 23.09.1774 ca. 30 Abzehrendes (tuberkulöses) Fieber Spanisches Spital heute 9, Boltzmanngasse 9-9a
Johann Romulus unbekannt ca. 1747 unbekannt 08.09.1776 ca. 29 ertrunken "Im Pratter"
Jakob Ali (Haly, Alli) vor Hadschi Mustafa, einem türkischen Händler, geflüchtet unbekannt Ägypten 31.03.1789 unbekannt Lunglsucht (Tuberkulose) Haus 17, Leopoldstadt heute 2, Hollandstraße
Emmanuel Farelli (Farelly, Warelle) Herrschaftlicher "Mohr" bei Graf von Seilern ca. 1757 unbekannt 14.09.1781 ca. 24 Rote Ruhr "Haus Goldener Scheer am Thury" heute 9, Liechtensteinstraße 79
Johann Emanuel Herrschaftlicher "Mohr" bei Herrn von Bargum, Großhändler-Gremialist ca. 1761 unbekannt 24.12.1781 ca. 20 Fieber "Ritterliches Haus", Obere Bräunerstraße heute 1, Habsburgergasse 3
Leopold Hammer Bediener für Fürstin Crescentia Bartenstein ca. 1764 Afrika 20.11.1798 ca. 34 Schwindsucht (Tuberkulose) Spital der Barmherzigen Brüder
Josephine (Josepha) Soliman Tochter des Angelo Soliman 18.12.1772 Wien 1801 28 unbekannt wahrscheinlich Krakau
Catharina Moreno (Mureno) Tochter des Franciscus Moreno, Lakai beim Spanischen Botschafter 12.08.1774 Wien 26.12.1774 18 Wochen Kopffrais (Krämpfe) "Ullfriedisches Haus" heute 1,Minoritenplatz 3 / Metastasiogasse 2 / Löwelstraße 8
Michael Anjou (Pietro Michaele Angiola) Tierwärter, Schönbrunn Menagerie ca. 1774 Isle de France, Mauritius 21.12.1799 ca. 25 Lunglsucht (Tubekulose) Schloss Schönbrunn

Quellen

Literatur

  • Susan Arndt / Antje Hornscheidt: Afrika und die deutsche Sprache: ein kritisches Nachschlagewerk. Münster: Unrast-Verlag 2004
  • Philipp Blom / Wolfgang Kos [Hg.]: Angelo Soliman. Ein Afrikaner in Wien. Wien: Christian Brandstätter Verlag 2011 (Katalog zur 376. Sonderausstellung des Wien Museums)
  • Erwin Ebermann: Afrikaner in Wien: zwischen Mystifizierung und Verteufelung. Berlin: LIT-Verlag 32007 (Auch afrika-wien.at)
  • Gustav Gugitz: Zwerge und Mohren in Alt-Wien. Ein Beitrag zur Sittengeschichte. In: Wiener Geschichtsblätter 14 (1959), S. 32 ff.
  • Peter Martin: Schwarze Teufel, edle Mohren. Afrikaner in Geschichte und Bewußtsein der Deutschen. Hamburg: Hamburger Edition 2001
  • Johann Pezzl: Skizze von Wien. 5. Heft. Wien / Leipzig 1788.
  • Walter Sauer: Jenseits von Soliman. Afrikanische Migration und Communitybuilding in Österreich. Eine Geschichte. Mit einem Beitrag von Vanessa Spannbauer. Innsbruck / Wien: Studienverlag 2022 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 63)
  • Walter Sauer / Andrea Wiesböck: Sklaven, Freie, Fremde. Wiener "Mohren" des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Walter Sauer [Hg.]: Von Soliman zu Omofuma. Afrikanische Diaspora in Österreich 17. bis 20. Jahrhundert. Innsbruck / Wien / Bozen: Studienverlag 2007, S. 23-56
  • Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien 2021. Wien: Magistrat der Stadt Wien 2021

Einzelnachweise

  1. Walter Sauer: Jenseits von Soliman. Afrikanische Migration und Communitybuilding in Österreich. Eine Geschichte. Mit einem Beitrag von Vanessa Spannbauer. Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte Band 63), Innsbruck-Wien: StudienVerlag 2022, S. 45, 56 f.
  2. Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, erarbeitet unter der Leitung von Wolfgang Pfeifer. München: dtv 1995.
  3. In der Wiener Zeitung ist ein Zusammenhang mit den Osmanen erstmals 1709 nachzulesen: ANNO: Wiener Zeitung, 03.07.1709.
  4. Johann Pezzl, Skizze von Wien. 5. Heft, Wien/Leipzig 1788, S. 704.
  5. Walter Sauer / Andrea Wiesböck: Sklaven, Freie, Fremde. Wiener "Mohren" des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Walter Sauer [Hg.]: Von Soliman zu Omofuma. Afrikanische Diaspora in Österreich 17. bis 20. Jahrhundert. Innsbruck / Wien / Bozen: StudienVerlag 2007, S. 23-56, insbesondere S. 36-49.
  6. Walter Sauer / Andrea Wiesböck: Sklaven, Freie, Fremde. Wiener "Mohren" des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Walter Sauer [Hg.]: Von Soliman zu Omofuma. Afrikanische Diaspora in Österreich 17. bis 20. Jahrhundert. Innsbruck / Wien / Bozen: StudienVerlag 2007, S. 126.
  7. Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien 2021. Wien: Magistrat der Stadt Wien 2021, S. 69 f.
  8. Vgl. dazu POLAR Wiener Politikerinnen und Politiker Archiv: https://www.wien.gv.at/advuew/internet/AdvPrSrv.asp?Layout=politiker&Type=K&PERSONCD=2020111809164331&POLLAY=histpolsuche&RF=02&ICD=2011021810192827.
  9. Zusammengestellt auf der Basis von Walter Sauer/Andrea Wiesböck: Sklaven, Freie, Fremde. Wiener "Mohren" des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Walter Sauer [Hg.], Von Soliman zu Omofuma. Afrikanische Diaspora in Österreich 17. bis 20. Jahrhundert. Innsbruck/Wien/Bozen: Studien Verlag 2007, S. 23-56