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Bevölkerung

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Bevölkerungszahlen

Wie neuere Grabungsbefunde belegen, besteht im Raum des heutigen Wien eine bis in die vorchristliche Zeit zurückreichende Siedlungskontinuität. Das Werden der heutigen Stadt vollzog sich im Hochmittelalter. Eine erste Boom-Phase erlebte sie in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, nachdem die Babenberger um die Mitte des 12. Jahrhunderts ihre Residenz von Klosterneuburg nach Wien verlegt hatten. Anhand von geschätzten Häuserzahlen lässt sich um 1200 eine Einwohnerzahl von etwa 10.000 vermuten. Bis zum frühen 16. Jahrhundert nahm die Einwohnerzahl der ummauerten Stadt auf etwa 20.000 zu. In der frühen Neuzeit verdichtete sich die Verbauung weiter. Schließlich wurde im 19. Jahrhundert in der Inneren Stadt 1880 ein Höhepunkt mit 70.000 Einwohnern erreicht. Seitdem verlor das Stadtzentrum auf Grund der ökonomischen und administrativen Funktion der City kontinuierlich an Bevölkerung.

Statistiken

Häuser (Stadt)

1625 bis 1790

1791 bis 1918

1919 bis 2001

Einwohner

1730 bis 1918

1919 bis 2011

In Stadt und Vorstädten setzte sich das Stadtwachstum bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts fort – die Bevölkerung in der Stadt und in dem noch dünn besiedelten Vorstadtgürtel dürfte auf mehr als 20.000 angewachsen sein –, ehe die erste und wahrscheinlich schwerste Pestepidemie in der Geschichte Wiens zumindest einem Drittel der Einwohner das Leben kostete. Von diesem Bevölkerungsschock erholte sich die Stadt im Lauf des späten 14. und 15. Jahrhunderts nur langsam, nicht zuletzt, weil weitere Seuchenzüge in periodischen Abständen Wien heimsuchten. Eine Zählung des Bürgeraufgebots um 1450 lässt auf eine Bevölkerung von etwa 25.000 schließen. In den Jahren vor der Ersten Türkenbelagerung dürften etwa ebenso viele Einwohner in Stadt und Vorstädten gelebt haben. Der Ersten Türkenbelagerung fiel der Vorstadtbereich fast zur Gänze zum Opfer. Danach behinderte der Ausbau des Befestigungsgürtels den Wiederaufbau der Vorstädte. Aufgrund einer höheren Bewohnerdichte der Häuser und deren vertikalem Wachstum stieg die Bevölkerungszahl bis 1600 jedoch auf 30.000-35.000 an. Auf der Basis zeitgenössischer Angaben zur ungefähren Bevölkerungsgröße, Häuserzahlen und nunmehr vorliegender Daten über die natürliche Bevölkerungsbewegung lässt sich für die Mitte des 17. Jahrhunderts die Bevölkerungszahl schon relativ genau auf etwa 45.000-50.000 schätzen. Vor allem nach der überstandenen Zweiten Türkenbelagerung, unter der erneut der Vorstadtbereich schwer zu leiden hatte, entfaltete das Bevölkerungswachstum eine besondere Dynamik. Nach den Ergebnissen der ersten unter Maria Theresia durchgeführten Volkszählung war die Einwohnerzahl von Stadt und Vorstädten auf 175.000 angewachsen. 1800 lag sie bei rund 230.000, 1830 bei 340.000 und 1857 bei mehr als einer halben Million. Zu diesem Zeitpunkt zählte allerdings bereits der Bereich der Vororte, der heutigen Außenbezirke, zur am stärksten wachsenden städtischen Zone.

Häuser (Stadt und Vorstädte bzw. Stadtgebiet zum Zeitpunkt der Zählung)

1625 bis 1790

1791 bis 1951

Einwohner

1600 bis 1790

1791 bis 1951

Im heutigen Stadtgebiet lebten um 1600 etwa 50.000, um 1800 etwa 270.000 und 1857 fast 700.000 Menschen. 1870 waren es bereits 900.000, 1890 1,4 Millionen und 1910 2,1 Millionen. Im Ersten Weltkrieg nahm die anwesende Bevölkerung durch den Zustrom von Flüchtlingen kurzfristig auf etwa 2,5 Millionen zu. Damit war der Höhepunkt des Stadtwachstums jedoch erreicht. In der Zwischenkriegszeit lebten etwa 1,9 Millionen Einwohner in Wien, 1939 nur noch 1,8, 1951 1,6 Millionen. Nach einem Bevölkerungsknick in den 1970er- und frühen 1980er-Jahren und einem moderaten Anstieg bis etwa zur Jahrtausendwende steigt die Einwohnerzahl bis in die Gegenwart erheblich an. Zudem sind in den Bevölkerungszahlen lediglich Personen mit Hauptwohnsitz in Wien erfasst. Zumindest weitere 270.000 Personen haben weitere Wohnsitze in der Stadt. Deren Zahl ist seit den 1960er-Jahren ansteigend.

Häuser (heutiges Stadtgebiet)

1590 bis 1790

1791 bis 1918

1919 bis 2011

Einwohner (heutiges Stadtgebiet)

1590 bis 1790

1791 bis 1918

1919 bis 2011

Im Wesentlichen lassen sich vier Abschnitte der Wiener Bevölkerungsgeschichte unterscheiden:

1. Die Phase vormodernen Wachstums reicht vom Hochmittelalter bis in das ausgehende 18. Jahrhundert. Sie ist gekennzeichnet durch Wachstumsraten, die im langfristigen Durchschnitt knapp unter 1 Prozent jährlich betrugen. Kurzfristig waren die Schwankungen auf Grund von Epidemien und Kriegen beträchtlich. 2. Die Phase explosiven Bevölkerungswachstums erstreckt sich vom Vormärz bis zur Jahrhundertwende. Die Wachstumsraten lagen in dieser Phase durchwegs bei über 2 Prozent, um die Mitte des 19. Jahrhunderts sogar bei 3,5 Prozent. Dieses Wachstumsniveau entspricht durchaus dem heutiger Länder der Dritten und Vierten Welt. 3. Das 20. Jahrhundert war insgesamt durch moderate Wachstums- bzw. Schrumpfungsraten geprägt. Ausnahmen bildeten die Jahre nach Ende des Ersten und Zweiten Weltkrieges und die späten Dreißigerjahre, in denen es durch Abwanderung, Vertreibung und Ermordung und teilweise auch durch Geburtenausfälle und Kriegsopfer zu deutlichen Bevölkerungsrückgängen kam. 4. Ab etwa 2000 sorgten ausgeglichene Geburtenbilanzen und eine erhebliche Zuwanderungsbewegung die nunmehr nicht nur aus Drittstaaten sondern vor allem aus EU-Ländern zu verzeichnen ist für eine sehr dynamische Aufwärtsentwicklung.

Altersaufbau

Über den Altersaufbau der Bevölkerung gibt es erst seit der Volkszählung von 1754 Angaben, die jedoch zunächst nur eine sehr grobe Altersgliederung erlauben. Aus den Zählungen des 18. Jahrhunderts wird insgesamt ein relativ geringer Anteil jüngerer und älterer Altersgruppen erkennbar, während die 15- bis unter 50-jährigen sehr stark vertreten waren. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts lässt sich die Veränderung der Altersstruktur der Wiener Bevölkerung genauer und periodischer nachzeichnen. In Abhängigkeit von der Geburtenentwicklung und der fallenden Säuglings- und Kindersterblichkeit erreichte der Anteil der unter 15-jährigen mit rund einem Viertel etwa zwischen 1890 und 1910 seinen Höhepunkt. Danach fiel er kontinuierlich, kurzfristig lediglich unterbrochen durch die Wirkungen des Geburtenanstiegs nach dem „Anschluss“ und des „Babybooms“ der späten 1950er- und 1960er-Jahre. Noch drastischer ist im Vergleich der letzten 150 Jahre der Anteil der 15- bis unter 30-jährigen gefallen. Die geringsten Veränderungen erfuhr der Anteil der 30-bis unter 45-jährigen, der gegenwärtig wie vor 150 Jahren bei rund einem Viertel liegt. Die gestiegene Lebenserwartung spiegelt der Anteilzuwachs der 45- bis unter 60-jährigen wider. Noch deutlicher wird dieser Einfluss auf die dramatischen Anteilgewinne der höheren Altersstufen. So waren beispielsweise 1856 nur 0,7 Prozent der Wienerinnen und Wiener 75 Jahre und älter, 1981 jedoch fast 9 Prozent. Bedingt durch den Tod vieler Angehöriger der geburtenstarken Jahrgänge vor dem Ersten Weltkrieg hat in den Neunzigerjahren der Anteil dieser hohen Altersgruppe leicht abgenommen. Mittelfristig wird er jedoch weiter ansteigen.

Zuwanderung

Wie in vielen anderen großen Städten auch wäre das geschilderte demographische Wachstum ohne permanente Wanderungsüberschüsse nicht zu erzielen gewesen, denn mit Ausnahme einer begrenzten Phase zwischen etwa 1850 und 1914 war die Geburtenbilanz zumeist negativ oder ausgeglichen. Abgesehen von dieser auch als transitorisch bezeichneten Phase der Wiener Bevölkerungsgeschichte resultierte das Stadtwachstum primär aus einem bedeutenden Überschuss an Zuwanderern gegenüber den Abwanderern. Wie aus Trauungsmatrikeln, Aufdingbüchern, Gewerbezählungen und Bettlerprotokollen hervorgeht, wurde die Zuwanderung nach Wien seit der Reformation vom Zuzug aus dem süddeutschen Raum dominiert. Im Lauf des 17. Jahrhunderts nahm die Zuwanderung aus den österreichischen Alpenländern zunehmend die erste Stelle ein, die Zuwanderung aus dem bayerischen Raum blieb jedoch auch im 18. Jahrhundert noch bedeutsam. Seit dem späten 18. Jahrhundert gewann die Zuwanderung aus den böhmischen Ländern immer mehr an Gewicht, während vor allem seit dem Vormärz jene aus den deutschen Ländern massiv zurückging und nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871 marginal wurde. Die Situation in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts spiegelt die Geburtsortstatistik von 1856, nach der 44 Prozent der anwesenden Bevölkerung in Wien geboren war, 22,5 Prozent in den böhmischen Ländern und weniger als ein Fünftel in den österreichischen Alpenländern (in den damaligen Landesgrenzen, also einschließlich Südtirols, der Südsteiermark und Krains). Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts blieb nun der Anteil der in den böhmischen Ländern geborenen Wienerinnen und Wiener bei etwa einem Viertel der Geburtsbevölkerung, der Anteil der aus dem heutigen Österreich zugewanderten Personen fiel jedoch auf 15 Prozent. Von der Jahrhundertwende bis in die 1970er Jahre nahm der Anteil der in Wien Geborenen ständig zu, und zwar von 46 Prozent im Jahr 1900 auf 65 Prozent im Jahr 1971. War dieser Anstieg auf die starken Geburtenjahrgänge des späten 19. und frühen zwanzigsten Jahrhunderts zurückzuführen, resultierte der Anstieg des Anteils der in den österreichischen Bundesländern Geborenen aus dem ungebrochenen Zustrom dieser Migranten, während im Gegensatz dazu die Massenmigration aus den böhmischen Ländern und Galizien nach 1918 verebbte. Der Anteil der in der nunmehrigen Tschechoslowakischen Republik Geborenen sank bereits nach 1918 durch eine Rückwanderungswelle beträchtlich. 1934 waren nur noch 15,6 Prozent der Wiener Wohnbevölkerung in den Ländern der böhmischen Krone geboren, 1988 nur noch 2,4 Prozent. Der Anteil der überwiegend jüdischen Geburtsbevölkerung aus Galizien und der Bukowina ging durch die Vertreibung und Ermordung nahezu der gesamten jüdischen Bevölkerung in der nationalsozialistischen Phase zwischen 1938 und 1945 auf ein Minimum zurück. Seit den 1960er-Jahren bildete der Zustrom von „Gastarbeitern“ aus südosteuropäischen Ländern und der Türkei den wichtigsten Migrationszweig, seit Mitte der 1990er-Jahre immer mehr in den Hintergrund gedrängt durch die Zuwanderung aus dem EU-Ausland. Um 2010 hatte rund eine halbe Million der Wiener Einwohner einen Migrationshintergrund, davon stammte rund ein Drittel aus der Europäischen Union, ein weiteres Drittel aus Ex-Jugoslawien und mehr als ein Fünftel aus der Türkei.

Mortalität

Der sich im Altersaufbau abbildende Anstieg der Lebenserwartung der Wiener Bevölkerung setzte bereits in der frühen Neuzeit ein. Nach einer modellhaften Berechnung der durchschnittlichen Lebenserwartung bei der Geburt kamen um die Mitte des 17. Jahrhunderts nur etwa 13 bis 18 Jahre auf einen Neugeborenen, während Mädchen mit 17 bis 22 Jahren rechnen konnten. War ein Alter von 20 Jahren einmal erreicht, lebten Männer im Durchschnitt bis etwa zum 50. Lebensjahr, Frauen bis nahezu zum 60. Zweihundert Jahre später war die Lebenserwartung bei der Geburt auf Grund der weiterhin enorm hohen Säuglings- und Kleinkindersterblichkeit nur wenig angestiegen. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts sank auf Grund des hohen Verbreitungsgrades der Tuberkulose die Erwachsenenüberlebenswahrscheinlichkeit sogar unter das Niveau um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Seit diesem Tiefpunkt setzte allerdings ein durch die Wirkungen des Ersten Weltkrieges nur kurzfristig unterbrochener linearer Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung ein, der bis in die Gegenwart anhält. Bemerkenswert an dem Verlauf dieses Anstiegs ist die deutliche Aufwärtsentwicklung im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, in der ökonomisch krisenhaften Zwischenkriegszeit und auch in den unmittelbaren Nachkriegsjahren nach Ende des Zweiten Weltkrieges. In den letzten Jahren gewann der Anstieg der Lebenserwartung neuerlich an Dynamik. Für die Überlebenswahrscheinlichkeit der Erwachsenen war vor allem auch im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ein merklicher Sprung festzustellen, während seitdem die Entwicklung mit ziemlicher Konstanz nach oben verweist, unterbrochen durch die Situation nach Ende des Ersten Weltkrieges. Erstaunlich hoch war die Lebenserwartung bei Personen, die das 60. Lebensjahr einmal erreicht hatten, schon in der Vergangenheit. Mitte des 17. Jahrhunderts erreichten sie im Schnitt 70 Jahre (bei den Männern) und über 75 (bei den Frauen). Erst in der Zwischenkriegszeit wurde dieses Niveau überschritten. Zuvor war es zum Teil deutlich darunter gelegen. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind die durchschnittlich zu erwartenden Lebensjahre bei 60-jährigen und älteren Personen um etwa 15 Jahre gestiegen. Bei altersspezifischer Betrachtung lässt sich ein merklicher Rückgang der Sterblichkeit bei den Kindern, Jugendlichen und unter 50-jährigen Erwachsenen von der Mitte des 17. zur Mitte des 18. Jahrhunderts feststellen, den man als Vorläufer des so genannten epidemiologischen Übergangs betrachten kann. Sinnfälligsten Ausdruck fand dieser Übergang im Verschwinden von Pestepidemien, deren letzte 1713 Wien heimsuchte. Mit dem Einsetzen von Proto- und Frühindustrialisierung kam dieser Übergang jedoch nicht nur ins Stocken, er kehrte sich für Säuglinge, Kleinkinder und Jugendliche unter 20, temporär auch für Erwachsene, sogar in einem teilweise dramatischen Anstieg der altersspezifischen Mortalitätsraten um („urban penalty“). Von den Wirkungen der Verschlechterung der Lebensbedingungen in den städtischen Unterschichten in der Frühindustrialisierungsphase waren langfristig vor allem illegitime Säuglinge und Jugendliche unter 20 Jahren betroffen. Beide Gruppen können als die „Verlierer“ dieser ersten Industrialisierungsphase gelten. Die Mortalität der Erwachsenen sank im Vormärz, erfuhr jedoch im zweiten Drittel dieses Jahrhunderts noch einmal eine merkliche Verschlechterung. Ab den 1860er Jahren ist jedoch bei allen Altersgruppen ein mehr oder minder kontinuierlicher Rückgang der altersspezifischen Mortalität festzustellen. Im Vergleich zum ausgehenden 18. Jahrhundert, dem Tiefpunkt in der Entwicklung der Sterblichkeit in Wien, hat sich die Mortalität der Säuglinge auf ein Dreiundneunzigstel verringert, die der 50-jährigen und älteren annähernd auf ein Drittel des Ausgangswertes vermindert. Der Anstieg der Lebenserwartung in den letzten zweihundert Jahren ist also zu einem erheblichen Teil auf den Rückgang der Säuglingssterblichkeit zurückzuführen, wiewohl er auch bei anderen Altersgruppen sehr beträchtlich ausgefallen ist.

Der Rückgang der Mortalität seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts kam epidemiologisch vor allem im verminderten Risiko, an epidemischen (Typhus, Cholera, Blattern) und endemischen (Tuberkulose) Infektionskrankheiten zu sterben, zum Ausdruck. Bei den Säuglingen nahmen auch nichtinfektiöse Erkrankungen mit letalem Ausgang, die häufig unter dem Sammelbegriff „Lebensschwäche“ firmierten, deutlich ab. Für den Rückgang der Epidemien war neben mikrobiologischen Prozessen vor allem die so genannte „Städteassanierung“ im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert verantwortlich. Die nahezu vollständige Versorgung der Wiener Bevölkerung mit Hochquellenwasser war 1910 mit der Inbetriebnahme der Zweiten Wiener Hochquellwasserleitung praktisch abgeschlossen, die Modernisierung der Kanalisation mit dem Bau der Hauptsammelkanäle einige Jahre zuvor. Während des epidemiologischen Übergangs (ca. 1870-1930) fielen die altersstandardisierten todesursachenspezifischen Mortalitätsraten aller wichtigen Todesursachengruppen, geringfügig allerdings nur bei den Kreislauf- und Krebserkrankungen, am stärksten nach wie vor im Bereich der Infektionskrankheiten. Nun traten zur Sanierung der äußeren städtischen Umwelt auch Verbesserungen der Hygiene auf der Basis der bakteriologischen Entdeckungen. Hospitalisierung von Säuglingen und kommunale Wohnbauprogramme spielten dabei eine wichtige Rolle. Gleichzeitig wurde verstärkt ein Bewusstsein für die private Hygiene auch in der Arbeiterschaft geschaffen. Auch in der Zweiten Republik setzten sich diese Trends ungebrochen fort. Den größten Beitrag zum Rückgang der Sterblichkeit lieferte nach 1945 der Rückgang der altersstandardisierten Sterberate der Krankheiten des Kreislaufsystems, obwohl diese bis heute mit Abstand die wichtigste Todesursachengruppe sind. Relativ war der Rückgang der Sterblichkeit der Infektionskrankheiten jedoch weiterhin am stärksten ausgeprägt. Innerhalb dieser Todesursachengruppe war es vor allem die Tuberkulose, die während der letzten hundert Jahre ständig an Bedeutung verloren hat. Für den Rückgang der Mortalität der Infektionskrankheiten war neben der Verbesserung des Ernährungszustandes und der hygienischen Lebensbedingungen der Wiener Bevölkerung insbesondere die medizinische Versorgung - Entwicklung und Verbreitung von Antibiotika, sehr hohe Impfdichte vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern - von entscheidender Bedeutung.

Fertilität

Das Fertilitätsniveau in Wien war in der vorindustriellen Zeit zwar vergleichsweise hoch, jedoch recht deutlich unter dem Mortalitätsniveau. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts erreichte die Zahl der Lebendgeborenen bezogen auf alle Frauen im Alter von 15 bis unter 50 Jahren (Allgemeine Fertilitätsziffer) einen Wert der erst um 1910 wieder unterschritten wurde. Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts setzte jedoch ein enormer Anstieg der Fertilität ein. Ebenso wie bei der Mortalität wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts auch bei der Fertilität ein absoluter Höhepunkt erreicht, während in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein allmähliches leichtes Sinken des Fertilitätsniveaus feststellbar ist. Erst in den Jahren nach der 1848er-Revolution begann die erwähnte Fertilitätsziffer - ausgehend von einem Niveau, das 50 Prozent über dem um die Mitte des 18. Jahrhunderts lag - kontinuierlich zu sinken. Eine besondere Dynamik gewann der Rückgang im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Nach einer Welle von Nachziehgeburten nach dem Ersten Weltkrieg setzte eine Geburtendepression ein, die die Fertilitätsraten auf ein, wahrscheinlich in keiner Großstadt vergleichbarer Größe erreichtes, Minimum fielen ließ. Kam bereits um 1900 weniger als eine Tochter auf eine Frau, so entfiel um die Mitte der 1930er-Jahre nur auf jede vierte Frau eine Tochter bzw. auf jede zweite Frau ein Kind. Nach 1945, in den späten 1950er und in den 1960er-Jahren war noch einmal ein Babyboom festzustellen. Seit den späten 1960er-Jahren sinkt das Fertilitätsniveau jedoch mit geringen Schwankungen kontinuierlich. Auf jede Frau mit österreichischer Staatsbürgerschaft kommen seit Mitte der 1980er Jahre lediglich 1,2 Kinder. Gebremst wurde der Fertilitätsrückgang jedoch durch die Zuwanderung. Frauen mit nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft haben etwa seit der Jahrtausendwende eine durchschnittliche Kinderzahl von rund zwei. Über das gesamte 20. Jahrhundert wurde also das Selbst-Reproduktionsniveau der Wiener Bevölkerung nicht mehr erreicht. Die Wiener Bevölkerung reproduziert sich demnach schon lange nicht mehr vollständig aus sich selbst. Dies gilt allerdings für fast alle europäischen Großstädte über lange Phasen ihrer Geschichte. Diese Veränderungen des generativen Verhaltens der Wiener Bevölkerung sind eng mit der Geschichte des Wandels großstädtischer Haushaltsstrukturen und der urbanen Familie verknüpft. Das relativ niedrige vorindustrielle Fertilitätsniveau in Wien beruhte auf dem Umstand, dass ein großer Bevölkerungsteil geringe Heiratschancen besaß bzw. im Handwerk und Gewerbe an zünftische Heiratsschranken gebunden war, die diese erheblich verzögern, wenn nicht überhaupt verhindern konnten. Da eheliche Fertilität uneheliche um ein Vielfaches übertraf, waren der Geburtenhäufigkeit deutliche Grenzen gesetzt. Mit dem Aufkommen hausindustrieller Tätigkeiten auf familienwirtschaftlicher Basis und einer Lockerung der Heiratsbeschränkungen im Gewerbe ab dem späten 18. Jahrhundert fielen jedoch diese Schranken, und das Fertilitätsniveau stieg beträchtlich an. Diese Veränderungen waren mit einem Wandel der durchschnittlichen Haushaltsgröße verbunden. Bestanden im vormodernen Wien große Haushalte mit vielen ledigen Gesindepersonen, so ging nun die Haushaltsgröße zurück, weil sich die Struktur der Haushalte änderte. In den Heimarbeiterhaushalten lebten zwar eine größere Zahl an Kindern als in den traditionellen Handwerkerhaushalten, jedoch zunächst kaum familienfremde Personen. Seit dem Vormärz stieg die Haushaltsgröße jedoch wieder, weil im Gewerbe ein merkliches Größenwachstum um sich griff, das teilweise bereits auf technologischen Fortschritten in der Produktion beruhte. Hinsichtlich der Haushaltsstruktur wiesen diese gewerblichen Mittelbetriebe jedoch eine traditionell große Zahl an Gesindepersonen auf. Auch die in der Heimindustrie arbeiteten Familien nahmen verstärkt Untermieter oder mithelfende familienfremde Personen auf, um die drückenden Mietkosten zu senken. Auch immer mehr Handwerksgesinde lebte nun nicht mehr in der Meisterfamilie, sondern als Untermieter und Bettgeher. Einen Höhepunkt erreichte diese Entwicklung in den 1850er und 1860er Jahren. Erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts sank die Haushaltsgröße kontinuierlich von mehr als 5 auf 4 Personen um 1910. Dazu trug ein Rückgang des Untermieter- und Bettgeherwesens und schließlich, vor allem nach 1900, auch eine Verkleinerung der Familiengrößen bei. Den endgültigen Durchbruch erlebte die Kleinfamilie in praktisch allen Gesellschaftsschichten im „Roten Wien“. Auf der Basis einer mit der gestiegenen Lebenserwartung erhöhten Planbarkeit der eigenen Biografie sind im 20. Jahrhundert die „Kosten“ für einschneidende biografische Entscheidungen gestiegen. Die biografische Festlegung in Form von Heirat und Geburt eines Kindes wurde und wird zunehmend aufgeschoben. Dazu trat seit den späten Sechzigerjahren der Vormarsch hedonistischer Lebensstile, der den Anstieg von Singlehaushalten wesentlich erhöht hat. Mit dem Wandel und der teilweisen Auflösung bürgerlicher Familienformen im ausgehenden 20. Jahrhundert sind die Illegitimitätsraten seit den Achtzigerjahren wieder gestiegen. Mittlerweile wird jedes vierte Kind in Wien unehelich geboren. Die neuen Formen der Illegitimität, die von Lebensgemeinschaften und häufigem Partnerwechsel bis zu gewollter Alleinerzieherschaft reichen, haben allerdings mit den vormodernen kaum etwas gemein, ganz abgesehen davon, dass Illegitimität im großstädtischen Milieu schon lange nicht mehr stigmatisiert ist. Diese neuen „Familienformen“ schließen allerdings „alte“ Probleme – ökonomische Benachteiligungen – keineswegs aus, was die nach wie vor höhere Sterblichkeit unehelich Geborener erklären kann.

Literatur

  • Franz Baltzarek: Das territoriale und bevölkerungsmäßige Wachstum der Großstadt Wien im 17., 18. und 19.Jahrhundert. Mit Betrachtungen zur Entwicklung der Wiener Vorstädte und Vororte. In: Wiener Geschichtsblätter 35(1980) 1-30.
  • Historisches Ortslexikon. Statistische Dokumentation zur Bevölkerungs- und Siedlungsgeschichte. Wien: http://www.oeaw.ac.at/fileadmin/subsites/Institute/VID/PDF/Publications/diverse_Publications/Historisches_Ortslexikon/Ortslexikon_Wien.pdf
  • Michael John / Albert Lichtblau: Schmelztiegel Wien – einst und jetzt. Zur Geschichte und Gegenwart von Zuwanderung und Minderheiten, Wien-Köln: Böhlau 1990.
  • Ferdinand Lettmayer [Hg.]: Wien um die Mitte des XX. Jahrhunderts - ein Querschnitt durch Landschaft, Geschichte, soziale und technische Einrichtungen, wirtschaftliche und politische Stellung und durch das kulturelle Leben. Wien: 1958, S. 419 ff.
  • Gustav Otruba: Lebenserwartung und Todesursachen der Wiener. Untersuchungen auf Grund der Totenbeschauprotokolle des Archivs der Stadt Wien. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 15/16(1959/60) 209-222.
  • Gustav Otruba / L. S. Rutschka: Die Herkunft der Wiener Bevölkerung in den letzten hundertfünfzig Jahren. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 13 (1957), 227-274.
  • Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien. Hg. vom Magistrat der Stadt Wien. Wien 1885-lfd. (1952 - 1969: Wien: Jahrbuch der Stadt Wien)
  • Annemarie Steidl: "Auf nach Wien". Die Mobilität des mitteleuropäischen Handwerks im 18. und 19. Jahrhundert am Beispiel der Haupt- und Residenzstadt (Sozial- und wirtschaftshistorische Studien 30), Wien – München: Oldenbourg 2003
  • Andreas Weigl: Demographischer Wandel und Modernisierung in Wien (Kommentare zum Historischen Atlas von Wien 1), Wien: Pichler 2000.
  • Andreas Weigl: Die Wiener Bevölkerung in den letzten Jahrhunderten. In: Statistische Mitteilungen der Stadt Wien 2000/4, 6-34.
  • Andreas Weigl: "Unbegrenzte Großstadt" oder "Stadt ohne Nachwuchs"? Zur demographischen Entwicklung Wiens im 20. Jahrhundert. In: Franz X. Eder u. a.: Wien im 20. Jahrhundert. Wirtschaft, Bevölkerung, Konsum (Querschnitte 12), Innsbruck [u. a.]: StudienVerlag 2003, 141-200.